Anlagenautonomie, oder wie lange kann eine automatisierte Anlage ohne Bedienereingriff produzieren

Die Begriffe Autonomie und Autonomisierung haben sehr unterschiedliche Bedeutungen und werden in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet. In diesem Text soll die Autonomie einer Automationsanlage näher betrachtet werden und welche Randbedingungen und Parameter dabei eine Rolle spielen.
Der Begriff der Anlagenautonomie bezeichnet in der Automatisierungstechnik die Dauer, in der eine automatisierte Fertigungsanlage ohne Eingriff eines Bedieners selbstständig (autonom) arbeiten kann.
Als Maß kann entweder eine Zeit oder eine Fertigungslosgröße dienen. Ist die Zeit der entscheidende Parameter, dann wird meist in (Arbeits)schichten gedacht bzw. in einem Zeitraum, der Bediener in die Lage versetzt mehrere Anlagen zu bedienen, oder die Bedienung einer Anlage als Nebenaufgabe mit abzuwickeln. Wenn bei der Autonomie in Fertigungslosen gedacht wird, dann verfolgt man in der Regel das Ziel nach einem Rüstvorgang einer Anlage ein Fertigungslos einer Variante möglichst autonom zu fertigen.

Steht die Autonomiezeit im Fokus, dann geht es entweder darum, dass ein Bediener in die Lage versetzt werden soll, andere Tätigkeiten parallel auszuüben und die Automationsanlage nur nebenbei zu überwachen, gelegentlich für die Materialversorgung bzw. Materialentnahme zu sorgen und im Fehlerfall auf Meldung hin verfügbar zu sein, damit keine unnötigen Stillstandszeiten entstehen. Ein klares Rationalisierungsprojekt siehe hierzu auch Wissenseite Automatisierungsmotive, bei dem die Reduzierung der Produktionskosten im Blickpunkt steht, um wirtschaftlich und konkurrenzfähig produzieren zu können.
Wenn der Fokus in erster Linie auf dem Fassungsvermögen des Werkstückspeichers liegt, um z.B. ein komplettes Fertigungslos bearbeiten zu können, dann geht es sehr häufig darum eine Fertigungseinrichtung, die ggf. tagsüber händisch mit Einzelteilen oder Kleinserien beladen wird, in einer zusätzlichen Geisterschicht ohne Personal zu nutzen. Die Überlegung dahinter leuchtet ein: eine Maschine, die sonst nachts stillsteht, produziert stattdessen wertschöpfend Teile und verdient damit Geld. Hierbei sind ein paar zusätzliche Überlegungen wichtig. Alle Maßnahmen, die dazu dienen, den Fertigungsprozess fehlertoleranter zu machen sind zu ergreifen. Schließlich steht in einer Geisterschicht kein Mitarbeiter zur Verfügung, der bei einem Problem eingreifen und den Prozess wieder starten kann. Dazu gehört z.B. die Ausrüstung einer Zerspanungsmaschine mit Schwesterwerkzeugen, die bei oder vor Werkzeugbruch eingewechselt werden, aber auch u.U. eine Reduzierung des Vorschubes in der Zerspanung um die Werkzeuge zu schonen und damit Werkzeugbruch zu vermeiden. Es können natürlich auch Fehlerzustände, die zum Anlagenstillstand führen, auch über ein entsprechendes Netzwerk auf ein Smartphone übertragen werden und im Stillstandsfall wird ein Mitarbeiter, der Bereitschaftsdienst hat, zu Hause alarmiert.
Die Stückzahlautonomie steht auch im Vordergrund, wenn z.B. ein Prozess mit einer relativ großen Anzahl Werkstücken beladen werden muss, der danach für längere Zeit läuft. Hierbei muss dann die Autonomie ein Vielfaches einer Bearbeitungsladung abbilden. Einleuchtend, dass in so einem Fall das 1,95fache einer Bearbeitungsladung in der Autonomiebetrachtung mit einer Ladung gleichzusetzen ist. Nur gut 1% mehr Werkstückautonomie bringen in diesem Fall die doppelte Autonomiezeit.

Aus der Sicht des Automatisierers hängt die Autonomie im Wesentlichen davon ab wieviel Material in einer Anlage bevorratet werden kann. Da wäre zunächst das Rohmaterial zu bevorraten, welches dem Fertigungsprozess zugeführt wird. Das können im einfachsten Fall Rohteile sein, die in der Be- oder Verarbeitung dann zu Fertigteilen werden, beispielsweise ein Rohling, der in eine Zerspanungsmaschine eingelegt wird und danach als Fertigteil wieder entnommen wird. In diesem Fall kann sehr häufig der Werkstückspeicher sowohl für Roh- als auch Fertigteile dienen. Komplizierter wird es bereits hier, wenn z.B. für Roh- und Fertigteile unterschiedliche Werkstückträger (siehe hierzu auch Wissenseite Werkstückträger) für die Aufnahme verwendet werden müssen. Dann ist jeweils ein komplett unabhängiger Rohteil- und Fertigteilspeicher erforderlich. Der Speicher ist zwar doppelt so groß wie im ersten Fall, die Autonomie bleibt jedoch gleich. (Beipiele für Automationssysteme mit Werkstückspeichern für Roh- und Fertigteile)
 
Noch komplexer wird die Aufgabenstellung, wenn zur Herstellung des Endprodukts einer automatisierten Anlage mehrere unterschiedliche Einzelteile und Rohmaterial bereitgehalten und bevorratet werden muss. Hier bestimmt natürlich der kleinste Teilspeicher die Gesamtanlagenautonomie. Das wird nochmal komplizierter, wenn Einzelteile bzw. Teilmaterialien in einer Automationsanlage vor der Verarbeitung noch vor- oder aufbereitet werden müssen, also zum Beispiel temperiert oder gereinigt o.ä.
Typisches Beispiel für solche Automationsanlagen sind zum Beispiel komplexere Spritzgießautomationen bei der Herstellung von Kunststoffhybridteilen (Anwendungsbeispiele). Dort müssen sehr häufig mehrere Varianten von Einlegeteilen bereitgehalten und vorbereitet werden, deren Einzelspeicher jeweils direkt die Gesamtautonomie einer Anlage bestimmen. Auch die Fertigteile müssen entsprechend aufbewahrt werden, bis Sie vom Bedienpersonal entnommen werden, also ist auch der Fertigteilmagazin direkt relevant für die Gesamtautonomie. Kommt dann noch z.B. ein Klebe- oder Dichtmittelauftrag hinzu, der einen Aushärteprozess benötigt beeinflusst die Aushärtedauer und das dafür vorgesehene Aushärtemagazin ggf. inkl. thermischer Aktivierung ebenfalls direkt die Autonomie.
 
Wenn im Rahmen der automatisierten Fertigung Qualitätsprüfungen oder Messungen erforderlich sind, damit kein Ausschuss produziert wird, kann dies sehr häufig auch automatisiert erfolgen und -wenn es die Prozesse erlauben- die Messergebnissen auch direkt als Korrekturwerte zurück in den Fertigungsprozess gegeben werden.
Häufig werden auch Zwischenablagen bzw. Ausgaben für suspekte Teile realisiert, die manuell vom Bedienpersonal geprüft und kontrolliert werden müssen, um den Prozess wegen eines Werkstückes nicht unterbrechen zu müssen.
 
Die Autonomie einer Anlage hängt also von sehr vielen Faktoren ab. Um die bestmögliche Strategie und Ausführung einer Automationsanlage realisieren zu können ist einerseits ein intensiver Austausch zwischen dem Anwender und dem Hersteller der Automation erforderlich. Außerdem bedarf es zur Beurteilung der Anforderungen und dem Umsetzen in die richtigen Strategien fundierter Automationserfahrung.

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