Wenn man gemeinhin vom Robotergreifer oder Robotergreifwerkzeug spricht, klingt das zunächst ziemlich profan. In Wirklichkeit ist selbst das vermeintlich einfachste Konstrukt ein recht komplexes Greifsystem.
Es besteht aus dem eigentlichen Greifwerkzeug: einem pneumatischen oder elektrischen Greifelement oder Vakuumelement sowie entsprechenden werkstückspezifischen Formteilen, die mit den Bauteilen in Berührung kommen und diese sicher aufnehmen bzw. halten. Dies sind bei Greifern mit Hub sogenannte Greiferbacken, bei Vakuumgreifsystemen meist entsprechende Negativformen des Werkstücks oder von Teilen des Werkstücks.
Das zuvor beschriebene Greifwerkzeug benötigt einen Antrieb (Ventile für pneumatische Antriebe bzw. ein Servoverstärker für elektrische Greifer) oder einen Vakuumerzeuger für Vakuumgreifsysteme. Diese Einheiten werden meist auf der dritten Roboterachse (beim 6Achser) montiert, die für entsprechende Zusatzlasten ausgelegt ist.
In allen Fällen wird noch eine Versorgung mit Energie bzw. Steuersignalen sowohl zu den Antrieben, als auch von dort zu den eigentlichen Greifmodulen benötigt. Dabei handelt es sich um elektrische Leitungen oder Pneumatikschläuche. Hinzu kommen noch elektrische Leitungen, um entsprechende Sensorik an den Greifwerkzeugen mit Energie zu versorgen und deren Ausgabesignale zurück zur Steuerung zu leiten. Diese gesamten Leitungen werden zum Medienpaket oder Schlauchpaket zusammengefasst und müssen entsprechend so verlegt werden, dass sie für alle erforderlichen Bewegungen des Roboters ausgelegt sind.
Die Medienversorgung von der ersten bis hoch zur dritten Roboterachse mit Luftleitungen bzw. elektrischen Adern ist in der Regel bei 6Achs-Robotern bis zu einem gewissen Maß bereits im Roboter standardmäßig verbaut.
Alles das ist bereits für das Aufnehmen/Ablegen eines Teils mit einem sogenannten 1fach Greifwerkzeug erforderlich. Dabei kommt insbesondere der Konstruktion und Ausführung der Greiferbacken eine für die Prozesssicherheit entscheidende Bedeutung zu. Zunächst müssen die Werkstücke sicher aufgenommen und positioniert werden. Gleichzeitig dürfen sie durch den Kontakt beim Greifprozess nicht beschädigt werden und drittens müssen Sie sicher und genau am Ablageort abgegeben werden.
Ebenfalls erheblich für die spätere Programmierung, Zugänglichkeit zum Prozess sowie zur Vermeidung von Problemen durch Singularitäten des Roboters ist der sogenannte Flansch. Er bestimmt, wie das Greifmodul geometrisch zum Roboterflansch angeordnet ist.
Sehr häufig werden mehrere Greifeinheiten bzw. Greifmodule in einem Greifwerkzeug verbaut. Dies kann mehrere Gründe haben.
Ein Beweggrund kann zum Beispiel sein, dass Bauteile unterschiedlicher Geometrie gegriffen werden sollen, die nicht mit einem Greifwerkzeug aufgenommen werden können.
Ebenso kann dies der Fall sein, wenn das Rohteil vor einer Bearbeitung sich so deutlich vom Fertigteil nach der Bearbeitung unterscheidet, dass die Einzelgreifer auf unterschiedliche Geometrien ausgelegt sein müssen.
Es kann aber auch schlicht und ergreifend der Sauberkeit eines Werkstückes dienen. Soll ein verunreinigtes Werkstück einem Reinigungsprozess zugeführt werden und danach wieder entnommen werden, wird oft ein Doppel-Greifwerkzeug mit einem Greifmodul für saubere und einem weiteren für die verunreinigten Bauteile verwendet.
Ein sehr häufiger Beweggrund für einen Doppel - oder Mehrfachgreifer in einem Handhabungsprozess ist die Reduzierung der Maschinenstillstandszeit und damit die Optimierung der Nebenzeit. Steht ein Fertigteil nach einer Bearbeitung in einem Prozess oder einer Maschine an der gleichen Position zur Abholung bereit, wo das unbearbeitete Rohteil abgelegt werden soll, muss das Fertigteil zunächst entnommen werden, bevor das Rohteil eingelegt werden kann. Hier können mit der Verwendung eines Doppelgreifwerkzeuges zwei Wege (aus der Maschine zum Werkstückspeicher und zurück) und damit teure Nebenzeit einer Maschine eingespart werden. Der Roboter bringt das neue Rohteil beim Einfahren in die Maschine gleich mit und nimmt mit dem leeren Greifmodul das Fertigteil, orientiert das Greifwerkzeug um und setzt das neue Rohteil in der Maschine ein und fährt aus und die nächste Bearbeitung beginnt.
Mehrfach-Greifwerkzeuge werden auch sehr häufig verwendet um die Gesamttaktzeitvorgabe zu erreichen bzw. zu optimieren. Bei reinen Pick-and-Place-Anwendungen können so mehrere Teile je Verfahrweg transportiert werden. Bei der Auslegung des Mehrfachgreifwerkzeuges spielen dabei Taktzeitvorgabe, Bereitstellungssituation, Ablagesituation und Werkstück- bzw. daraus resultierendes Gewicht des Greifwerkzeuges die bestimmenden Rollen. Zunächst ermittelt man aus der Taktzeitvorgabe, wie viele Teile je Verfahrweg transportiert werden müssten, um die Vorgabe zu erreichen. Dann müssen Bereitstellung und Ablagesituation entweder auf das gleicher Rastermaß gebracht werden oder die Werkstücke an einer der beiden Positionen einzeln aufgenommen und/oder abgelegt werden. Bei einzelner Aufnahme müssen die einzelnen Greifmodule einzeln ansteuerbar sein. Schlussendlich muss dann noch geprüft werden, ob der Roboter, der aufgrund des erforderlichen Arbeitsbereichs ausgewählt wurde, auch ausreichend Tragkraft besitzt, um den geplanten Mehrfachgreifer mit Werkstücken zu tragen oder dieser ggf. größer gewählt werden muss. Dabei muss der Konstrukteur jederzeit die Zugänglichkeit bei Werkstückaufnahme und -ablage mit dem Mehrfachgreifsystem beachten.
Noch komplexer werden Robotergreifsysteme, wenn innerhalb des Greifwerkzeuges selbst Bewegungen realisiert werden müssen. Dies kann zum Beispiel erforderlich sein, wenn sich die Bereitstellungssituation und die Ablagesituation bei Mehrfachgreifwerkzeugen im Rastermaß unterscheiden. Um die Bauteile gleichzeitig in beiden Rastern aufnehmen bzw. ablegen zu können, wird in solchen Fällen häufig eine -meist pneumatische- Verstellung der Abstände der Einzelgreifer zueinander zwischen den beiden Rastern realisiert.
Ein weiterer Beweggrund für Bewegungen innerhalb des Greifwerkzeuges kann z.B. bei Einlegeteilen für Hybridspritzgießbauteile die Realisierung der einzelnen sequenziell abfolgenden Einlegevorgänge der Einlegeteile in die einzelnen Kavitäten des Spritzgusswerkzeuges sein. Der Roboter positioniert in diesem Falle das Greifwerkzeug in einer festen Position zum Spritzgießwerkzeug und mittels einzelner Bewegungen werden nacheinander die Einlegeteile in die einzelnen Aufnahmen der Formnester eingebracht. Sehr häufig wird dabei über entsprechende Formbauteile, die an Spritzgießwerkzeug und Greifwerkzeug montiert sind, die exakte Positionierung vorgenommen und gestützt.
Eine weitere grundsätzliche Herausforderung bei Robotergreifsystemen ist die Möglichkeit auf unterschiedliche Bauteile bzw. Bauteilgeometrieen zu reagieren. Der Roboter selbst bietet durch seine Beweglichkeit und den frei programmierbaren Bewegungsablauf eine sehr große Flexibilität, die natürlich auch auf ein möglichst großes Werkstückspektrum angewendet werden soll. Daraus ergeben sich Herausforderungen an die Umrüststrategie einer Gesamtanlage.
Zunächst versucht der Konstrukteur natürlich ein möglichst weites Spektrum mit einem Greifwerkzeug abzudecken. Dazu können die Greiferbacken z.B. in Stufenform ausgeführt werden oder ggf. durch geschickte Ausführung der Greiferbacken ein gewisses Spektrum abgedeckt werden.
Wenn diese Möglichkeiten ausgeschöpft sind, kommt man um eine Umrüstung des Greifwerkzeuges nicht mehr herum. Im einfachsten Fall, wenn Abstand und Hub des Greifmodules ausreicht, kann dies durch Wechsel der Greiferbacken unter Beibehaltung des eigentlichen Greifmodules geschehen. Inzwischen gibt es dazu auch sehr praktikable Schnellwechsellösungen der Greifmodul-Hersteller, die einen schnellen und werkzeuglosen Wechsel ermöglichen. Diese Lösung stellt die günstigste Variante dar. Außerdem müssen in diesem Fall zum Wechsel die Versorgungsleitungen des Greifwerkzeuges nicht getrennt werden.
Wenn der Wechsel des kompletten Greifsystemes erforderlich ist, kommen dafür spezielle Greiferwechselsysteme zum Einsatz. Diese bestehen aus einer roboterseitigen Kupplung und greiferseitigen Gegenstücken, die an jedem Greifwerkzeug montiert sind. Dabei wird unterschieden zwischen manuellen Wechselsystemen, bei denen der Bediener den Wechsel von Hand vornehmen muss und automatischen Wechselsystemen, bei denen sich der Roboter das jeweilige Greifwerkzeug selbst aus einem Magazin abholt. In beiden Fällen müssen die Versorgungsleitungen des Greifwerkzeuges über spezielle Kupplungen getrennt und mit dem neuen Greifwerkzeug verbunden werden, dazu kommen spezielle Wechselkupplungen für Pneumatik und elektrische Signale zum Einsatz.
Manuelle Wechselsysteme sind in der Regel günstiger und weniger anfällig für Störungen, automatische Wechselsysteme komfortabler, jedoch auch in der Regel teurer. Spätestens wenn das Greifwerkzeug ein Gewicht übersteigt, dass nicht mehr manuell handhabbar ist, kommen automatische Wechselsysteme zum Einsatz. Ebenso sind automatische Wechselsysteme auf jeden Fall von Nöten, wenn innerhalb des Prozesses der Greifer gewechselt werden muss, zum Beispiel wenn beim Palettieren nach einer gewissen Anzahl Werkstücken eine Verpackungskomponente (zum Beispiel eine Zwischenlage) aufgelegt werden muss. Beim Einsatz in einem Umfeld, in dem Schmutz insbesondere gröberer Art wie z.B. Späne in der Metallbearbeitung, die Funktionalität des Wechselsystems beeinträchtigen können, sind an der Ablageposition der Wechselgreifwerkzeuge entsprechende Vorkehrungen zu treffen.